Logbuch der Lendermannen – Merseberg

Mit brummenden Schädeln und dicken Wänsten verließen die Lendermannen den überaus gastfreundlichen Stamm der Chatten und brachen auf zur nächsten Feier in das Dorf ‚Merseberg‛. Dies wahrscheinlich ärmliche Dörfchen sollte in der Nähe des Orkwalles liegen und war wohl einer ständigen Bedrohung durch die Grünhäute ausgesetzt. Die Lendermannen waren vom dortigen ‚Bürgermeister‛, das sollte wohl so etwas wie ein Hetman sein, eingeladen worden zur Feier des zehnjährigen Bestehens. Auch Reifur, Eldur und Svaki, die alten Huskarle des Roten Stier, schlossen sich den Lendermannen für diese Fahrt an.

Zu ihrem Entsetzen fanden die Lendermannen bereits auf dem Weg, der in das kleine Dorf führte, Leichenteile, Waffen und erschlagene Menschen. Sie griffen die Schilde etwas fester, zogen sich die Helmriemen stramm und nahmen die Schwerter und Äxte in die Hand. Es lag wohl eher ein guter Kampf als eine rauschende Feier in der Luft. Plötzlich wurden sie auch von einer großen Übermacht Orks angegriffen und mussten sich mit kräftigen Hieben ihrer Haut wehren. Obwohl sie eine große Zahl der Grünhäute erschlugen, war die Übermacht so groß, dass sie sich in eine Taverne am Dorfrand zurückziehen mussten. Dort wurden sie von laut kreischenden Schankmaiden begrüßt, die weinend erzählten, dass der Graf, wer immer das sein mochte, erschlagen worden sei und die Orken in das Dorf eingefallen wären. Da das Geschrei der Schankmaiden den Lendermannen lästiger war, als ein guter Kampf mit den Orks, verließen sie die Taverne wieder und kämpften sich den Weg zu einem sicheren Lagerplatz am Dorfrand frei. Hier schlugen sie die Zelte auf, brachten die Drachenköpfe am Zelt des Hetmans an und schlugen das kleine, von Harald gebraute Fässchen Bier, an.

Nach dem ersten Schluck Bier, bevor sie sich den Bart wischen konnten, wurden sie schon wieder von einer Horde Orks angegriffen. Es gab keine Ruhe. Die ganze Nacht über rollte ein Ork-Angriff nach dem anderen und der Schildwall der Lendermannen wurde zum legendären Schlachthof für unzählige Orks.

Das bemerkte auch der Bürgermeister des kleinen Dorfes Merseberg, der die Lendermannen am nächsten Tag für ihre Tapferkeit lobte und, auf Leif-Eriks Drängen, auch bezahlte. Zu dieser ‚Feier‛ war auch eine große Zahl von schwer gerüsteten Männern, die sich Schwanenritter und Lichtritter nannten, angereist. Deren Tapferkeit bestand aber lediglich darin, dass sie sich bei jedem Angriff der Orks in ihre Zelte verkrochen und die Verteidigung den Lendermannen überließen.

Leif-Erik Holm schnitzte in jeder freien Minute aus einem riesigen Knüppel einen Schlong, den er ‚ Schratenschlächter ‛ nannte und nach seiner Fertigstellung im Hinterteil eines Ork, dem Rangdor mit einem gutgezielten Pfeilschuss das Gemächt entfernt hatte, den Göttern weihte. Dieser Schlong sollte den Namen „Schratenschlächter“ bekommen, und als Geschenk an Jander Skaflocson gehen. Dieser hatte auf dem letzten Winterthing nämlich groß damit geprahl, wie er mit seinem Gemächt die ganzen Orks an der Erde festpfählen würde. Leif Erik war gespannt auf dieses Bild, und hatte beschlossen Jander die dafür passende Waffe an die Hand zu geben.

Aus dem Bürgermeister presste der Hetman für seinen persönlichen Schutz und den Schutz seines verdreckten Dörfchens so lange Geld heraus, bis dessen Kasse nichts mehr hergab. Trotzdem stellten sich die Lendermannen und die Huskarle des Roten Stier aber in einer letzten großen Schlacht, die nach einem völlig fehlgeschlagenen Ritual, das ein dicker Priester der Ritter mit einem großen Donnerschlag und viel Rauch zelebriert hatte, unausweichlich war, den Orks heldenhaft entgegen.

Auch in dieser Schlacht suchten die Ritter, kaum hatte sie begonnen, mit klappernden Rüstungen das Weite. Auch der legendäre Schildwall der Lendermannen zerbrach unter den Hieben der unzähligen Orks. Einer fiel über den anderen und sie verströmten ihr Blut in den modrigen Boden am Rand dieses kleinen Dörfchens Merseberg.

Dank einer Heilerin, die mit ihren Töchtern angereist war, und am vorigen Abend die Gastfreundschaft der Lendermannen genossen hatte, überlebten sie dieses Gemetzel und schleppten sich in ihr Lager zurück, um am Feuer ihre vielen Wunden mit Ahasvers Schnaps zu reinigen. Als sie vor Schmerzen stöhnend auf ihren Fellen lagen, trat der dicke Priester mit einer klappernden Sammelbüchse ans Feuer und bat frech um eine  Spende für sein fehlgeschlagenes Ritual, das diese unrühmliche Schlacht zur Folge hatte. Leif-Erik, der sich ebenso wie alle anderen, kaum noch bewegen konnte, knurrte „Du hast Zeit, bis ich bis Drei gezählt habe…“ Bei Zwei bereits hatte der Dicke seine Kutte gerafft und den trotz ihrer Schmerzen laut lachenden Nordmännern unter Beweis gestellt, wie schnell ein dicker Prister mit gefüllter Sammelbüchse laufen kann. „Schade, dass wir die Sammelbüchse nicht in unsere Hände kriegen können“, meinte Leif-Erik.

Da die Ritter, bei denen vielleicht noch Silber oder gar Gold zu holen gewesen wäre, noch in der gleichen Nacht feige davonschlichen und auch die Gemeindekasse dieses bitterarmen Kaffs gähnend leer war, reisten auch die Lendermannen, sobald sie dazu in der Lage waren, ab und kehrten zurück in ihre neue Heimat, auf die Insel Fjoreholm. Dort verbrachten sie vor dem neuen Langhaus viele Wochen mit dem Bau eines großen Dreibocks, der weiter schleudern sollte, als der Onager und das Lager des Großen Heeres in den Drachenlanden schützen sollte.