Logbuch der Lendermannen – Das Dorf Starkadsund

Eine alte Legende, die immer wieder an den Feuern erzählt wird, besagt, dass die Männer von Starkadsund in grauer Vorzeit einst einen Lindwurm im Sund fingen. Sie legten ihm ein aus Eisen geschmiedetes Geschirr an und zwangen ihn, ihr einziges kleines Schiff zu ziehen. Sie waren wohl zu faul, oder zu klug, um selbst zu rudern und zu segeln. Mit diesem Lindwurm, böse Zungen behaupten, es sei ein sehr junger Lindwurm gewesen, da ein ausgewachsener Wurm sich ja sicher nicht hätte einfangen lassen, kehrte Wohlstand, Freude und eine feine Kunst des Brauens starker Getränke in das idyllische Dörfchen am Sund ein. Eines Tages aber hatte der Lindwurm wohl genug davon, in seinem eisernen Geschirr die kleine Knorr der Starkadsunder über das Nordmeer zu ziehen. Er bot einen Handel an. Für seine Freilassung wollte er den Männern von Starkadsund größere Kraft geben, als jedem anderen lebenden Mann. Den Frauen versprach er leuchtende Schönheit und immerwährende Fruchtbarkeit. Dies sollten, so der Lindwurm, die Starkadsunder als Geschenk für seine Freiheit genießen können, solange er leben würde. Selbstverständlich weiß ein jeder, der seinen Kopf zum Denken benutzen kann und nicht den Schlund, durch den er Bier in sich hineingießt, für das wichtigste Körperteil hält, dass ein Lindwurm ewig lebt. So gingen die Leute aus Starkadsund nach einer kurzen Beratung von mehreren Tagen, bei der das Bier in Strömen floss, auf den Handel ein. Wie sich herausstellte, war es ein guter Handel. Die Männer von Starkadsund ruderten ihr Schiff ohne zu ermüden, zogen lachend den Pflug und rangen zum Spass ausgewachsene Bullen nieder. Die Frauen ermunterten die Männer mit ihrer Schönheit zu immer neuen Beweisen ihrer Manneskraft. Damit dieser denkwürdige Handel nicht in Vergessenheit geraten sollte, errichteten sie ein neues Langhaus, an dessen Giebel sie die in Holz geschnitzten und reich verzierten Köpfe ihres Lindwurms mit dem eisernen Geschirr anbrachten. Nach vielen Jahren des Reichtums, der Kraft und Schönheit, des lässigen Müßiggangs und schallenden Gelächters, vergingen plötzlich die Gaben des Lindwurms. Die Männer konnten den Pflug nicht mehr ziehen. Die Frauen verblühten, ihr Gesang verstummte und Nörgelei, Streit, Hunger und Siechtum hielten Einzug. Der Lindwurm war entweder gestorben oder hatte sein Versprechen gebrochen. Niemand wusste es. Starkadsund, das kleine Dorf der starken Männer, wurde mehrere Jahre nacheinander von schlechten Ernten, Trockenheit, kalten, langen Wintern und dürrer Sommerhitze geplagt. Manche der einst so lebensfrohen Starkadsunder legten sich auf ihre verrotteten Strohhaufen oder wanzenbewohnten Felle und starben einfach. Einige suchten dem Hunger durch übermäßige Trunksucht zu entkommen. Andere verschwanden und wurden nie mehr gesehen. Das kleine, einst blühende Dorf wurde von den Menschen dem Verfall preisgegeben.